Ja, die Kiste, in der das drin ist, was irgendwie nirgendwo sonst so richtig hinpasst. Ein Schlüsselanhänger, eine Geburtstagskarte, ein kleines Notizbuch, ein paar Werbe-Kugelschreiber, ein Souvenir, ein Päckchen Taschentücher mit dem Ottifant drauf und eine 3D-Brille aus dem Kino. Zum Wegwerfen halt zu schade! Ein wichtiger Gedanke, denn dahinter steht das Bewusstsein, dass dieses Ding Ressourcen verbraucht hat. Womöglich wurde es unter schlechten Bedingungen produziert. Wenn ich es wegwerfe, dann missachte ich alles, was hineingesteckt wurde. So lasse ich es liegen, in der Kiste, auf dem Schrank, wo es verstaubt und meine mentale Freiheit einschränkt. Ich komme halt nicht dazu, regelmäßig auszumisten, und bringe es nicht über's Herz, das alles wegzuwerfen. Es sammelt sich ja ohnehin wieder an.
Moment! Wichtiger Punkt - wieso ist es eigentlich nicht mit einmal ausmisten getan? Wie kommt das Zeug immer wieder hier hin, obwohl ich es eigentlich gar nicht brauche?
Über die Freiheit von Krimskrams und der zugehörigen Ressourcenverschwendung.
Das Gute ist, das zu verändern, ist lernbar. Einmal erlernt, benötigt es weniger Energie, nichts anzusammeln, als es vorher gekostet hat, aufzuräumen, sich belastet zu fühlen, etc. Es folgen: Erfahrungsberichte einer Minimalistin, die vorher keine war.
Strategie 1: Ich brauche pauschal erstmal garnichts.
Seien wir mal ehrlich. Auch wenn wir alle unterschiedliche Bedürfnisse haben, meist haben wir das, was wir wirklich brauchen. Sollte doch etwas fehlen, so ist es entweder nicht käuflich, oder wir können es uns gerade nicht leisten. Aber meine These ist: Nie, niemals fehlt uns etwas, nach dem wir gerade garnicht gesucht hatten. Etwas, das uns spontan angeboten oder geschenkt wird (mehr zu Geschenken später). Mein früherer Standard-Mechanismus war dennoch "Ach, das ist aber nett, danke!" - Das kann ich sicherlich irgendwann gebrauchen. Leider stellte sich heraus, dass die einzige Funktion dieser Dinge das Ausüben von psychischem und physischem Ballast ist.
In dem kleinen Moment im Alltag ist es schwer, fast unmöglich, eine sinnvolle Entscheidung zu treffen, ich will ja schnell antworten und höflich sein. Für viele Jahrtausende war alles anzunehmen, was ich kriegen kann, vielleicht sogar lebenswichtig. Jetzt aber will ich nurnoch die Freiheit von unnützem Zeug annehmen, also lautet meine Autopilot-Antwort: "Nein danke, das brauche ich nicht. Aber ich schätze die Geste." Ohne überhaupt richtig hinzusehen oder nachzudenken. Im Paket beiliegende Proben werden mit der Retoure zurückgeschickt. Kassenzettel nehme ich nicht mit. Flyer? Nein danke, erzählen Sie mir doch von der Veranstaltung! Kugelschreiber - davon kann man doch nie genug haben! - halbvoll, schmieren beim Schreiben, der Pin verklemmt sich jedes zweite Mal, bedruckt mit Werbung einer Partei die ich nicht wählen würde... Wer möchte sich das entgehen lassen??
Ja, mit den pauschalen Ablehnen von diesen Dingen kann es sein, dass ich 2€ im Monat zusätzlich ausgeben muss, weil ich mir aktiv eine brauchbare Ersatzmine für meinen Kugelschreiber kaufe. Aber weder fehlt mir etwas, noch habe ich zu viel! Und das ohne große Aufräumaktionen.
Wer das hier liest, kann ja selbst ausprobieren: Die nächsten vier Wochen einfach mal alles ablehnen. Ist ein bisschen wie Fasten, danach kann wieder zurück, wer möchte. Ich gehöre nicht dazu, denn die Gewohnheit macht es mir leicht.
- "Tüte dazu?" - "Brauche ich nicht"
- "Sammeln Sie Punkte?" - "Nein danke."
- "Eine Geschenktüte für unsere Hotelgäste!" (Sowas nehmen wir an, obwohl wir nicht einmal wissen, was drin ist! Wir können es auch ablehnen, obwohl wir nicht einmal wissen, was drin ist.)
Autorin: Katharina Nießner